Freiheit, Gleichheit, Mütterlichkeit

Die Geschichte des Feminismus ist auch die Geschichte des Verhältnisses der Frau zur Rolle der Mutter. Nachdem es der neuen Emanzipationsbewegung in den späten 60er Jahren gelang, sich von der festgelegten und eng definierten Mutter- und Hausfrauenrolle zu befreien, ringen Feministinnen bis heute mit der Frage, wie viel „Mütterlichkeit“ erlaubt sein darf. 

Konstruktion vs. Natur – der ewige Streit

In der Diskussion um die „Mütterfrage“ stehen an einem Ende jene, die die Mutterrolle kategorisch ablehnen. Am anderen Ende jene, die Mutterschaft als Inbegriff des Weiblichen idealisieren. In diesen Strömungen drückt sich vor allem ein unterschiedliches Verständnis des Verhältnisses des Menschen zur Natur aus. Wie determiniert der Mensch tatsächlich ist, darüber scheiden sich freilich die Geister. Gewiss ist der Mensch als Kulturwesen, nicht nur von biologischen, sondern auch von vielen sozialen Faktoren geprägt. In den Gender-Studies geht man deshalb davon aus, dass Unterschiede zwischen den Geschlechtern soziale Konstruktionen sind, die auf unterschiedliche Sozialisationen zurück geführt werden können. Inzwischen geht die Vorstellung der Geschlechterkonstruktion  jedoch so weit, dass sie die Bedeutung des Geschlechts ad absurdum führt. Die Vermischung von Sex und Gender, also des biologischen und des sozialen Geschlechts, bewegt sogar ehemalige Verfechterinnen des „antibiologistischen Gleichheitsfeminimus“, wie Alice Schwarzer, dazu, die biologische Definition von Geschlecht zu verteidigen. Aus dem biologischen Geschlecht ergeben sich jedoch nicht zwingend „natürliche“ soziale Geschlechterrollen. 

Bemerkenswert ist diese Entwicklung der Geschlechterrollendiskussion deshalb, da sich die feministischen Lager verschoben zu haben scheinen. Als besonders progressiv gilt dabei die Strömung, die stereotype Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit zu Grundlage der Definition von „Mann“ und „Frau“ macht. Im Selbstbestimmungsgesetz soll das subjektive Gefühl darüber entscheiden, welches Geschlecht man besitzt – mit allen rechtlichen Konsequenzen. Kein Wunder, rennen Feministinnen „alter Schule“ gegen solche Gesetzesvorhaben Sturm. Ging es doch Jahrzehnte darum, genau jene Rollenklischees zu überwinden. Gleichzeitig wurde aus eben jener Richtung gegen eine vermeintliche „naürliche Weiblichkeit“ gekämpft. Damit verbunden ist auch ein gewisser Argwohn gegenüber der Arbeit, die Mütter verrichten. So berichtete beispielsweise Claudia Pinl 1978 in der Emma über den „gefährlichen Mutterschutz“. Auf ähnliche Weise argumentierten Kritikerinnen zuletzt gegen das Betreuungsgeld. Als „Herdprämie“ würde es die Mütter von der Berufstätigkeit abhalten und damit ein traditionelles Familienbild fördern.

Inwiefern „Mütterlichkeit“ schließlich etwas erlerntes bzw. erzwungenes ist, oder auf ein grundlegendes Bedürfnis zurück geht, ist meines Erachtens in einer Zeit, in der Frauen gut ausgebildet sind und sich in der Regel bewusst für eine Mutterschaft entscheiden, nicht mehr so relevant. Warum Mutterschaft aber überhaupt im Widerspruch zur Freiheit der Frau steht, ist die Frage, die uns heute interessieren sollte.

Der Mythos von den „Selbstschuld-Müttern“

Was mir bei der Geschlechterrollendiskussion  besonders bitter aufstößt ist, dass so getan wird, als wäre Gleichberechtigung ein Aushandlungsprozess unter den Individuen. Als würden Mütter freiwillig zu Hause alles übernehmen und die Väter seien wahlweise zu faul oder „gluckende“ Mütter hielten sie ab. Am Ende sind es wieder die Frauen, die selbst an ihrer Misere schuld sind. Ohnehin hätten sie ja keine Mütter werden müssen. Der Auszug eines Texts von 1983 eines feministischen Sonderhefts zeigt, dass wir da über nichts Neues sprechen:

„Mein Nachhilfeschüler A. wusste es damals schon. Als Hausaufgabe hatte er einige Begriffe zu erklären aufgekriegt, darunter auch „Mutter“. Endlich mal was leichtes! Er machte ein entschlossenes Gleichheitszeichen und schrieb prompt: ‚Die alles macht.‘ Ich war entsetzt.

Erstens über die Mutter, weil sie alles machte. Zweitens über die Mutter, weil sie sich diese Definition bieten ließ. Drittens über die Mutter, weil sie daran schuld war, dass sie so wahrgenommen wurde. Viertens auf alle Mütter, weil sie so waren, überall, nur! Um meinen Verdacht zu bestätigen, kam A.’s Mutter mit einem duftenden, dampfenden Apfelpfannkuchen herein. Wenn das nicht stark nach ‚Heim und Herd‘ roch! Ich ließ mir den Pfannkuchen schmecken und achtete darauf

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, mich nicht allzu überschwänglich zu bedanken.

Ähnliche Mühe mit der Mütterlichkeit hatten es die Teilnehmer-innen einer Diskussion über Frauen und Arbeitslosigkeit. Linkes Pärchen-Publikum, einige Jahre später. Man war sich einig: Mütter sind der rückschrittlichste  Teil der Bevölkerung. Sie sind doch ihrer weiblichen ‚Biologie‘ in die Falle gegangen. Und das im Zeitalter der Partnerschaftlichkeit! Wo Erinnerungsherzchen auf Plastik-Platzdeckchen, Badezimmerspiegeln und Nachtischlämpchen mahnen: Heute schon die Pille geschluckt? Die Kinder der sexuellen ‚Aufklärung‘ – DAS Problem schien gelöst – sollten Wunschkinder sein. Mindestens! Wunschkinder von Selbstschuld-Müttern mit Bravour-Vätern.“ (Eva-Maria Epple 1983, In: Rabenmütter von A – Z. Courage, Sonderheft, Nr. 9)

Vergessen wird, dass es ohne Mütter auch nicht ginge und dass sie in vielen Fällen gar nicht die Möglichkeit haben, die Arbeit zu teilen. Weil auch Väter nicht die Möglichkeit haben, Arbeit zu übernehmen. Familie und Beruf werden noch immer in zwei Kategorien gedacht und gelebt. Unsere öffentlichen Institutionen sind nicht geschlechtsneutral, sondern männlich geprägt. Nur wer nicht schwanger wird und niemanden zu versorgen hat, hat in unserer Gesellschaft die besten Chancen. Damit stecken Frauen immer im Dilemma zwischen Gleichheit, Freiheit und ihrem Körper. In diesem Widerspruch verwickelt sich auch der Feminismus immer wieder auf’s Neue und dreht sich im Kreis.

Es geht nicht um Gleichheit, sondern Gleichwertigkeit

Feministische Kritik, die allein in der Mutterrolle das Problem sucht, verändert nichts an den Strukturen, die Mütter belasten, abwerten und ausschließen. An den Geschlechterverhältnissen ändert sich damit wenig. Das Problem von Geschlechterrollen sind nicht die Rollen an sich, sondern dass sie in einem männlich geprägten System nicht gleichwertig nebeneinander stehen können. Eine Aufwertung von „Mütterlichkeit“ bedeutet nicht, sie zu idealisieren, sondern sie als gleichwertigen Teil des Menschen zu integrieren.

„Leben mit Kindern - Mütter werden laut“ : Dokumentation des Kongresses vom 22./23.11.86 : Gedanken zur Mütterpolitik (1987). - Die Grünen [Hrsg.], Selbstverlag. (FMT-Signatur: LE.05.065)
Kongressdokumentation, 1986
Damit einher geht die Aufwertung von bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird. Schon 1987 forderte das „Müttermanifest“, das aus dem Bonner Kongress „Leben mit Kindern – Mütter werden laut“ hervor ging, eine Aufwertung der Haus- und Familienarbeit. Kritikerinnen – vor allem aus den eigenen politischen Reihen – sahen darin das traditionelle Hausfrauenbild gestärkt. Die Befürchtung, mit Mütterrechten dränge man Frauen wieder in alte Rollenmuster, erweist sich bei genauerer Betrachtung allerdings als haltlos. Denn wer die soziale und wirtschaftliche Situation von Müttern verbessert, stärkt zugleich auch ihre gesellschaftliche Teilhabe und damit die Position der Frauen insgesamt. Es geht nicht darum, Frauen eine Rolle zu zuweisen, sondern sie in jeder Hinsicht von Rollenzwängen zu befreien.  

Im Jahr 2020, knapp 35 Jahre nach dem ersten „Müttermanifest“, organisierte sich die nächste Generation von Müttern in Bonn zur Aufwertung der Sorgearbeit. Nur dieses Mal waren beim „Equal-Care-Day“ sogar einige Väter mit im Boot. Daraus entstand das „Equal-Care-Manifest“, das zusätzlich eine Gleichverteilung der unbezahlten Arbeit unter den Geschlechtern fordert. Denn die gleichmäßige Aufteilung familiärer Arbeit ist eine politische Aufgabe und keine Privatangelegenheit. Auch die Arbeitsteilung innerhalb der Familie ist überwiegend das Ergebnis struktureller Zwänge, die Mütter benachteiligt. Insbesondere die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Faktor, der eine partnerschaftliche Aufteilung unmöglich macht. Denn so muss immer einer in einem der Lebensbereiche zurück stecken. Im Ausschluss privater Sorgearbeit sehen wir, dass Arbeitsmarkt und Ökonomie die weibliche Seite nicht mitdenkt.

Die Initiative „Equal-Care-Day“ lädt am 01.03.23 zur nächsten Konferenz in Bonn und anderen Städten. Hier könnt ihr euch informieren und Tickets bestellen: https://equalcareday.de

Um den Widerspruch zwischen Freiheit und Mutterschaft aufzulösen, braucht es keine Gleichheit der Geschlechter, denn die gibt es faktisch nicht. Aber es braucht eine Gleichwertigkeit der Geschlechterrollen. Weibliche Arbeit, ob bezahlt oder unbezahlt, verdient dasselbe Ansehen und die dieselben Möglichkeiten, wie männliche Arbeit. Vor allem müssen Fürsorgetäitigkeiten deutlich aufgewertet und Erwerbsarbeit so organisiert werden, dass sich beides einander nicht ausschließt. Nur dann, haben Mütter eine Chance auf gleiche ökonomische und politische Teilhabe. Denn das, was Frauen zu Hause, in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen oder in Kliniken leisten, ist nicht weniger wertvoll. Im Gegenteil. Mit der Aufwertung der Sorgearbeit verbessern wir die Bedingungen und Chancen für alle Menschen.

 

Quelle: https://frauenmediaturm.de/neue-frauenbewegung/weiblichkeit-muetterlichkeit/