Mütter in der Bindungs-Falle

Fast alle Mütter wünschen sich eine enge emotionale Bindung zu ihrem Kind. Die Mutter-Kind-Bindung kann aber auch überfordern, wenn weitere enge Bezugspersonen fehlen. Hinzu kommen wirtschaftliche Nachteile aufgrund größerer Fürsorgeverantwortung. Dabei ist ein sicher gebundenes Kind keine Angelegenheit, die allein Mütter betrifft, sondern im Interesse aller liegt. Bindung darf daher kein Exklusivrecht der Mutter sein.

Wozu ist Bindung wichtig?

In Waisenhäusern des 18. Und 19. Jahrhunderts konnte man ein seltsames, wie herzzerreißendes Phänomen beobachten: Obwohl des den Kindern in den Krippen an „nichts fehlte“ – weder an Nahrung, Schutz und Hygiene – gediehen sie nicht und starben. Daraus entwickelte sich allmählich ein Bewusstsein für die Bedeutung emotionaler Bedürfnisse eines Kindes. Doch erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts etablierte sich die Bindungsforschung als eigenständiger Zweig in der Entwicklungspsychologie. Sie geht davon aus, dass Babys mit einem Bedürfnis nach Bindung geboren werden. Demnach ist Körperkontakt und liebevolle Zuwendung einer Bezugsperson für die Entwicklung des Kindes mindestens genauso wichtig, wie die Erfüllung rein physischer Bedürfnisse, wie Luft oder Nahrung.

Dieses vermeintlich sentimentale Bedürfnis nach Nähe, hat in der Natur einen ernsten Hintergrund. Für ein Baby bedeutete es nämlich den sicheren Tod, wenn es im Urwald irgendwo alleine herum lag. Dabei binden sich Neugeborene reflexhaft an die Personen, die am meisten verfügbar sind. Da stillende Mütter notwendigerweise körperlich anwesend sein müssen, werden sie in der Regel auch zur ersten Hauptbezugsperson. Dieses Attachement, wie die Bindung des Kindes zu seinem Versorger genannt wird, ist sozusagen die erste Lebensversicherung des Neugeborenen. Neben der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse nach Nahrung und Schutz, scheint Bindung aber auch für die emotionale Entwicklung und Organisation des Gehirns wichtig zu sein. Beobachtungen zeigen, dass Kinder, die wenig Zuwendung erhielten, später schlechter mit Belastungen umgehen konnten. Aber das ist noch nicht alles, was Bindung leistet. Neben der körperlichen und emotionalen Entwicklung, die durch die Art der Bindung, den sog. Bindungsstil, beeinflusst wird, enthält sie darüber hinaus noch eine soziale Dimension.  Denn die Bindung, die dem Kind nach der Geburt quasi als emotionale Nabelschnur dient, ist zugleich auch die erste Sozialbeziehung, die ein Mensch zu einem anderen Menschen besitzt. Unabhängig davon, welche Qualität diese erste Beziehung hat, wird sie als Modell für zukünftige soziale Beziehungen internalisiert. Die Bindungsforschung spricht in diesem Zusammenhang auch von „inneren Arbeitsmodellen“:

„Die inneren Arbeitsmodelle sind interne Bindungsrepräsentationen. Am Bindungssystem lernt das Baby also nicht nur sich selbst kennen

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, sondern auch die soziale Umgebung, in die es hinein wächst. In der Art und Weise, wie die Bezugsperson auf Bedürfnisse reagiert, zeichnet sie dem Kind ein Bild von sich und dessen Welt. Bindung ist damit auch eine Plattform für das soziale Lernen.“ (vgl. Renz-Polster).

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Wie entsteht Bindung?

Als mein erstes Kind frisch geboren war und ich es zum ersten Mal vor mir liegen sah, war mein erster starker Impuls, es sofort an mich zu nehmen. Zugleich spürte ich eine große Verunsicherung, die mir erstmals bewusst machte, dass ich noch nie Neugeborenes im Arm hatte. Wenn ich nicht die Frau gewesen wäre, die dieses kleine, zerbrechliche Wesen gerade zur Welt gebracht hatte, hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut, es einfach hoch zu nehmen. Aber in diesem Moment gab es nichts, was mich hätte davon abhalten können.

Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist dennoch nicht selbstverständlich. Und sie ist auch nichts, was sich beide ausschließlich teilen. Beobachtungen aus Jäger- und Sammlerkulturen zeigen vielmehr, dass das Bindungsprogramm eines Menschenbabys nicht auf eine einzige Bindungsperson zugeschnitten ist (vgl. Renz-Polster). Weil das Erwachsenwerden bei Menschen besonders  viel Zeit und Energie benötigt, macht es evolutionsbiologisch Sinn, dass sich mehrere Bezugspersonen um ein Kind kümmern. Damit gehört der Mensch zu den sog. „kooperativ“ aufziehenden Arten. Die Bindungen zu den verschiedenen Betreuungspersonen können sich dabei in ihrer Art und Qualität durchaus unterscheiden. Die Person, die die Bedürfnisse des Babys am zuverlässigsten erkennt und befriedigt wird dabei zur bevorzugten Bezugsperson. Das ist meist auch diejenige, mit der es die meiste Zeit verbringt. In der Regel die Mutter. Während andere Betreuungspersonen die Mutter aber in ersten Lebensmonaten des Säuglings noch relativ problemlos ersetzen können, wird die Trennung mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Wie gut oder schlecht ein Kind mit der Trennung von der Hauptbezugsperson zurechtkommt, hängt dabei auch von der Bindung zur Ersatzpflegeperson ab. Wie gelingt Bindung aber überhaupt aus Sicht des Erwachsenen?

Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster nennt in seinem Buch „Kinder verstehen“ 5 Zutaten für Bindung: 1) Die Instinkte, die sich in einer intuitiven Fürsorgebereitschaft zeigen. 2) Die Hormone, die sich bei der Mutter vor allem durch die Ausschüttung von Oxytocin und Prolaktin während Geburt und Stillzeit bemerkbar machen. Bei fürsorglichen Vätern sorgen ebenfalls Prolaktin, sowie der Abfall von Testosteron für einen veränderten Hormonspiegel. 3) Die Qualität und die Dauer der gemeinsam verbrachten Zeit, die zu verbindenden, emotionalen Erfahrungen führt. 4) Das soziale Umgebung der Bezugsperson. Je unsicherer und belastender die Lebenssituation, desto schwerer fällt es, eine sichere Bindung zum Baby aufzubauen. 5) Die Passung, die sich durch das Temperament des Kindes und die Erfahrung der Fürsorgeperson ergibt.

Es sind also viele Faktoren, die Bindung begünstigen oder auch behindern können. Aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren entwickelt sich schließlich ein bestimmter Bindungstyp, der das Kind mehr oder weniger sicher an dessen Bezugsperson bindet. Je sicherer gebunden ein Kind ist, desto höher ist dessen Vertrauen in sich und die Welt. Dabei scheint für den sicheren Bindungstyp die Feinfühligkeit (Sensivität) der Betreuungsperson eine besondere Rolle zu spielen. Diese drückt sich vor allem in der Wahrnehmung, Interpretation, Promptheit und Qualität der Interaktion mit dem Baby aus. Die Feinfühligkeit der Bezugsperson hängt allerdings nicht allein von der Persönlichkeit, oder besonderen mütterlichen „Eigenschaften“ ab, sondern auch von ihrem emotionalen Wohlbefinden. Sichere Bindung ist umso schwieriger, je belastender die Situation der Bezugsperson ist. Sicherheit kann sie dem Kind nur dann geben, wenn sie sich selbst sicher fühlt. Bindung spiegelt damit auch die sozialen und emotionalen Ressourcen der Bezugsperson wieder.

„Bindung, so scheint es, ist mehr als ein Dialog zwischen zwei eng aufeinander bezogenen Partnern – sie bezieht vielmehr das ganze soziale System mit ein, in dem die beiden leben. Weitaus mehr als mit fest verankerten mütterlichen „Qualitäten“ hängt Bindung deshalb damit zusammen, wie das Leben der Eltern läuft, wie wohl sie sich in ihrer Haut fühlen, wie „reichhaltig“ ihre Umwelt ist, wie viel Unterstützung sie haben und wie gut sie und das Kind zusammenpassen“ (vgl. Renz-Polster)

Damit wird Bindung selbst zu einem System, das mehr durch den Bezugsrahmen der Fürsorgepersonen bestimmt wird, als durch deren persönliche Fähigkeiten und Überzeugungen.

Wann wird Bindung zum Problem für Mütter?

Die anfängliche Unsicherheit während meiner ersten Mutterschaft verstärkte sich noch, als mein Baby mit zwei Wochen in eine ausgeprägte Schreiphase eintrat. Wochenlang konnte ich oft nicht länger als ein bis zwei Stunden am Stück schlafen. Ich trug es, lies es bei mir schlafen, stillte es nach Bedarf und versuchte stets auf Signale zu reagieren. Doch es reichte nicht, um mein Baby zufrieden zu stellen. Irgendwann ging mir die Kraft aus und ich fühlte mich nur noch erschöpft. Mit diesem Gefühl war ich die meiste Zeit des Tages allein.

Während die Bindung des Kindes an eine Bezugsperson für dessen Überleben  essenziell ist und daher bedingungslos geschieht, ist das sog. Bonding des Erwachsenen zum Nachwuchs an bestimmte Bedingungen geknüpft. Dabei fördert der biologische Vorgang von Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit eine natürliche Mutter-Kind-Bindung mit der die Mutter zur Hauptbezugsperson wird. Die biologischen Faktoren werden durch soziale und emotionale Faktoren ergänzt. Die Feinfühligkeit der Mutter, die den Bindungstyp und damit die Entwicklung des Kindes beeinflusst, ist davon abhängig, in welchem Unterstützungssystem die Mutter integriert ist. In der Natur leben kooperativ aufziehende Arten in größeren Familienverbänden, in denen jedes Mitglied von Anfang an Fürsorgeverantwortung für den Nachwuchs übernimmt. Jener Einschluss der Mutter-Kind-Beziehung in ein größeres soziales Netz aus Bindungspersonen ist allerdings beim Menschen heute nicht mehr automatisch gegeben. Vielmehr müssen Mütter aktiv nach Unterstützung suchen. Der mütterliche Mythos einer ewig glücklichen und zufriedenen Mutter, läuft diesem grundsätzlichen Unterstützungsbedarf natürlich zuwider. Noch immer gelten Mütter, die sich mit dem Nachwuchs überfordert fühlen und Hilfe benötigen, als unfähig oder „Jammermama“. Um nicht als Versagerin da zu stehen, aber auch aus Angst vor behördlichem Zugriff, suchen sich viele Mütter daher keine Hilfe, obwohl sie sie bräuchten.

Hinzu kommt, dass sich im Zuge der Bindungsforschung moderne Erziehungskonzepte entwickelten, die die Bedürfnisse der Kinder stärker in den Fokus rücken. Die bindungs- oder bedürfnisorientierte Erziehung, die auch unter dem Namen „Attachement Parenting“ bekannt ist, führt zu einem noch stärkeren Engagement der Mütter in der Erziehung. Inzwischen klären unzählige Erziehungsratgeber Eltern darüber auf, wie sie die Bedürfnisse ihrer Kinder erkennen und am besten darauf reagieren. Damit machen es sich die Familien von heute nicht gerade einfacher, als jene Generation, die ihre Kinder einfach schreien ließen, bis Ruhe war. Das ununterbrochene Hineinversetzen in die Gedanken- und Gefühlswelt des Kindes ist dagegen eine enorme emotionale Herausforderung. Die bedürfnisorientierte Erziehung ist ein Konzept, das viel Aufmerksamkeit und Ressourcen der Bezugspersonen benötigt. Für Mutter oder Vater allein ist das kaum zu bewältigen. Viel zu selten wird darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Konzept daher mit dem Kleinfamilienideal überhaupt nicht vereinbar ist. Daraus ergibt sich oft eine Überforderung der Mütter, die es dennoch versuchen. Im Ergebnis wird nicht die klassischen Kleinfamilie hinterfragt, sondern die bedürfnisorientierte Erziehung kritisiert, über die Mütter ihre eigenen Bedürfnisse vergessen. Obendrein werden Frauen dabei in eine traditionelle Mutterrolle gedrängt, die sie von Erwerbsarbeit abhält.

Eine starke Bindung zum Kind wird tatsächlich spätestens dann zum Problem, wenn es darum geht, dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung zu stehen. Die emotionale Bindung reißt ja nach einem Jahr Elternzeit nicht einfach ab. Gleichzeitig hatte das Kind innerhalb dieser Zeit kaum Gelegenheit eine stabile Beziehung zu weiteren Bezugspersonen aufzubauen. Theoretisch stünde zumindest der Vater des Kindes auch in der Kleinfamilie als Bezugsperson zur Verfügung. Doch die Arbeitsmarktbedingungen mit einer 40 h Woche und starren Arbeitszeiten, machen es selbst Vätern schwer, eine gleichwertige Bindung zum Kind aufzubauen. Sitzen die Eltern nicht gerade in der privilegierten Position, in der sie sich die Fürsorge gleichmäßig aufteilen können, fallen sie automatisch in eine traditionelle Rollenaufteilung zurück. Die Bedingungen am Arbeitsmarkt machen gleichberechtigte Elternschaft zu einer organisatorischen und finanziellen Herausforderung, die mehr mit Glück zu tun hat, als mit den Einstellungen der Eltern.

Der Ruf nach gleichberechtigter Rollenverteilung prallt also in Wirklichkeit auf Arbeitsmarkt- und Familienstrukturen, die dies überhaupt nicht zulassen. Was in feministischen Debatten um Gleichberechtigung zudem oft ignoriert wird, ist, dass viele Mütter gar kein Interesse daran haben, kurz nach der Geburt oder auch noch einige Jahre danach, wieder in Vollzeit arbeiten zu gehen. Irritierend ist dabei, dass die mütterliche Realität mit ihrer Fürsorgeverantwortung offenbar überhaupt keinen Einfluss darauf zu haben scheint, was am Arbeitsmarkt als Normalarbeitsverhältnis und Normalerwerbsbiografie gilt. Die Selbstverständlichkeit einer 40 h Arbeitswoche ist unvereinbar für jemanden, der sich noch um ein kleines Kind kümmert oder auch sonst private Fürsorge leistet. Unabhängig davon, ob er oder sie dies tun muss oder will. Wie können wir guten Gewissens an einer Norm festhalten, die offenbar nur für jene gilt, die sich ausschließlich um sich selbst kümmern? Gleichzeitig verdienen Frauen, die sich nach der Geburt eines Kindes stärker in der Familie engagieren insgesamt weniger als Männer und werden dadurch wieder von ihnen abhängig. An die emotionale Bindung der Mutter zum Kind und das damit einhergehende Verantwortungsbewusstsein, schließt sich also eine Reihe von sozialen und finanziellen Nachteilen. Auf der anderen Seite ist es für Väter selbstverständlich bedeutend schwieriger, bei Vollzeitarbeit eine gleichwertige Bindung zum Nachwuchs einzugehen. Geschlechterrollen sind also nicht nur ein Produkt von Sozialisation, sondern werden zu einem bedeutenden Teil durch strukturelle Zwänge im Rahmen der heteronormativen Kleinfamilie aufrechterhalten.

Ist weniger Bindung die Lösung?

Liegt es nicht letztendlich wieder an der Einstellung der Mutter selbst, wenn sie es nicht schafft, Aufgaben zu delegieren? Sind Mütter Opfer ihrer eigenen überzogenen Erwartung an sich selbst? Dem widerspricht jedefalls die Erfahrung vieler junger Eltern, die sich vor der Familiengründung klar für eine gleichmäßige Aufgabenverteilung verständigt hatten, doch mit der Geburt einsehen mussten, dass die Rechnung nicht aufgeht. Tatsächlich bemühen sich Väter heute mehr denn je, Fürsorge zu übernehmen und eine gute Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Dennoch zeigt die Realität, dass Väter nur in seltenen Fällen zur Hauptbezugsperson werden, selbst wenn sie ähnlich viel Zeit mit ihren Kindern verbringen. Es ist also die stärkere Bindung des Kindes zur Mutter, die Mütter vielfach stärker in die Familie einbindet – und damit auch oftmals in den Haushalt. Ihre Aufmerksamkeit wird in der Regel mehr in Anspruch genommen und oft auch mit Hartnäckigkeit eingefordert, unabhängig von ihrem eigenen Rollenverständnis. Insbesondere wenn es dem Kind nicht gut geht, weil es krank, müde, hungrig oder traurig ist, will es zur Mutter, solange sie verfügbar ist. Mütter sitzen also weniger in der Geschlechterrollen-Falle, als vielmehr in der Bindungs-Falle. Da aber die Bindung der Mutter zum Kind nicht automatisch verläuft, wäre es dann eine Lösung, wenn Mütter sich einer zu engen emotionalen Bindung entziehen? Indem sie beispielsweise auf das Stillen verzichten? Ähnliches wird ja mit der Kritik an der bindungsorientierten Erziehung gefordert.

Meiner Meinung nach, kann die Lösung nicht darin liegen, Mütter von ihren Kindern zu „entbinden“. Ich denke, das ist weder wünschenswert noch möglich. Wenn wir bedenken, dass sich Frauen heute bewusster denn je für Kinder entscheiden und damit auch ein starkes Interesse daran haben, diese liebevoll ins Leben zu begleiten, dann kann die Antwort nicht in weniger Bindung liegen. Vielmehr brauchen wir mehr Bindung – über die Mutterbindung hinaus! Sichere Bindung muss viel stärker in den Fokus des familienpolitischen Interesses gerückt werden. Denn ohne diese haben Menschen im Erwachsenenalter ein höheres Risiko dafür, im Laufe ihres Lebens psychische Störungen zu entwickeln. Sie reichen von aggressivem Verhalten und Bindungsstörung bis hin zu Depressionen und Angststörungen. Auch in Krisenzeiten haben Menschen mit sicheren Bindungserfahrungen eine höhere Resilienz gegenüber Veränderungen und können Stress besser bewältigen. „Insgesamt gilt heute als wissenschaftlich unbestritten, dass der Bindungsstil einen starken Einfluss auf die psychische und körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat und mit verschiedenen psychischen Störungen bis ins Erwachsenenalter assoziiert ist.“ resümieren Prof. Dr. Martina Zemp und Prof. Dr. Guy Bodenmann von der Universität Zürich. „Vor dem Hintergrund des gut gesicherten Wissensstands aus der Bindungsforschung wird die elementare Bedeutung von Bindung für die gesamte Entwicklung deutlich. Aus Sicht der Kinder- und Jugendpsychologie erscheint deshalb eminent wichtig, dass Kindern – insbesondere in der sensiblen Bindungsphase (in den ersten zwei Lebensjahren), aber auch darüber hinaus – familiäre Bedingungen geschaffen werden, die sichere Bindungserfahrungen zuträglich sind. Letztlich gelangt das Kind so zur Überzeugung über die Welt als sicheren Ort und es kann sich als ausreichend wichtig und wertig erfahren, dass auf es aufgepasst wird und auf seine Signale und Bedürfnisse reagiert wird. Der neugeborene Säugling benötigt zunächst einen „Fremndwert“ durch die primären Bindungspersonen, auf dem es einen gesunden Selbstwert aufbauen kann.“

Bindung als gesellschaftliche Aufgabe?

Die erschöpfte Mutter, sie ist längst zum Dauerphänomen in unserer Gesellschaft geworden. Mit der Corona-Krise erreichte die Erschöpfung nochmals neue Dimensionen, als Müttern plötzlich ihr sowieso schon dünnes Unterstützungssystem aus Großeltern und Betreuungseinrichtung wegbrach. Mit dramatischen Folgen für Mutter und Kind. Die Krise zeigt einmal mehr, dass Fürsorgepflichten letztlich allein bei den Müttern hängen bleiben. Bei Überforderung wird gerne weg geschaut. Und sollte sie doch irgendwann auffallen, dann liegt sie meist in der Verantwortung der Mutter selbst.

Tatsächlich setzt sichere Bindung voraus, dass Kinder in einem Fürsorgesystem aufwachsen, in dem sie zu mehreren Personen Bindungen aufbauen können. Das entlastet nicht nur die Mutter, sondern gehört auch zum Bedürfnis des Kindes nach vielfältiger sozialer Interaktion. Um aber eine Bindung aufbauen zu können, müssen die Personen kontinuierlich verfügbar sein und feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren können. Selbstverständlich muss auch ein persönliches Interesse an einer langfristigen Bindung zum Kind bestehen. Dass Erzieherinnen daher nur bedingt als Bezugsperson in Frage kommen, muss klar sein. Öffentliche Betreuungseinrichtungen mit ihrem Dienstleistungscharakter kann eine Großfamilie als soziales Netz der Mutter nicht ersetzen, allenfalls pädagogisch ergänzen.

Ob eine Mutter heute in der Situation lebt, in der sie tatsächlich auf zuverlässige Unterstützung trifft, ist reines Glücksspiel. Rein rechtlich stehen allein die Eltern des Kindes in der Pflicht, dieses auch zu versorgen. Dabei ermöglicht es der strukturelle Rahmen, in dem die Kleinfamilie heute eingebunden ist, kaum, dass Kinder über ihre Hauptbezugspersonen hinaus sichere Bindungen zu anderen Personen aufbauen können. Allein der Mutter wird es durch formelle und informelle Regelungen ermöglicht, dem Kind nach der Geburt konstant zur Verfügung zu stehen. Damit trägt die Gesellschaft dazu bei, dass Mütter allein zur Hauptverantwortlichen für den Nachwuchs werden. Soziale Normen und wirtschaftliche Zwänge führen in vielen Fällen dazu, dass nicht einmal der Vater die Möglichkeit hat, die Mutter dauerhaft und zuverlässig zu unterstützen. Letztlich fehlt aber auch der rechtliche Rahmen dafür, dass Kinder in einem Netz aus Bezugspersonen aufwachsen, das über die biologische Elternschaft hinaus reicht. Wir brauchen daher eine Neudefinition von Familie, als einer Fürsorgegemeinschaft, in der ihre Mitglieder Kinder unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis groß ziehen. Immerhin ist die eheliche heteronormative Kleinfamilie nur eine von vielen Familienformen, die es inzwischen gibt. Zu einer freiheitlich organisierten Gesellschaft passt allerdings nicht, dass nur diese eine Form rechtlich geschützt ist und steuerlich begünstigt wird. Wie Menschen zusammen leben wollen, darf aber nicht der Staat entscheiden. Aktuell wird zumindest über ein neues Abstammungsrecht diskutiert, das vorsieht, dass der homosexuelle Partner die gleichen elterlichen Rechte erhält, wie der biologische Elternteil. Auf der anderen Seite haben biologische Eltern automatisch Rechte am Kind, auch ohne dass sie je eine Bindung zu diesem aufgebaut haben. Das kann nicht im Sinne des Kindes sein.

Schließlich profitieren nicht nur die Kinder, wenn wir familiäre Bindungen erweitern. Denn mit einer gleichmäßigeren Verteilung von Fürsorgearbeit, könnten wir letztendlich auch mehr Geschlechtergerechtigkeit herstellen. Eine größere Einbindung der Menschen in Fürsorgeverantwortung, setzt größere Freiheit von Verpflichtungen am Arbeitsmarkt voraus. Konkret bedeutet das eine Reduzierung der Normalarbeitszeit und eine Erwerbsbiografie, die von Unterbrechungen geprägt ist. Private Fürsorge darf kein Grund sein, am Arbeitsmarkt diskriminiert zu werden. Erwerbsarbeit muss um die Fürsorgegemeinschaft herum organisiert werden und nicht umgekehrt. Flexibilisierung und Individualisierung und die immer größer werdenden Leistungsanforderungen am Arbeitsmarkt, dürfen Familien nicht länger auseinanderreißen. Nur dann haben Kinder wirklich gute Chancen, sozial bereichernde und starke Bindungen zu mehreren Bezugspersonen aufzubauen.

Das kulturelle Ideal der klassischen Kleinfamilie mit abwesenden nahen Verwandten, einem abwesenden, in Vollzeit arbeitenden Vater und einer vor der Gesellschaft ins Private verbannte alleinversorgenden Mutter, ist also aus Sicht der Bindungsforschung alles andere als ideal. Wer Fürsorgeverantwortung übernimmt und wer nicht, ist nicht nur eine Frage sozialer Konditionierung. Vielmehr spielen dafür auch emotionale und psychologische sowie strukturelle Faktoren eine bedeutende Rolle. Ausgehend von den Bedürfnissen des Kindes, muss Familienpolitik einen Rahmen schaffen, in dem mehr als nur ein oder zwei  Personen langfristige Bindungen von Geburt an eingehen können. Schließlich braucht es auch eine neue Arbeitsmarktpolitik, die Fürsorgearbeit als konstitutiven Teil der gesamtgesellschaftlichen Arbeit anerkennt und entsprechend arbeitsmarktpolitisch integriert. Denn aus sicher gebundenen Kindern, werden Erwachsene, die nicht nur sozial kompetent, sondern auch empathisch und fürsorglich sind. Sie sind emotional gefestigt und kommen mit den Herausforderungen der Zukunft besser zurecht. Weil sichere Bindung für die Gesundheit des Menschen mindestens genauso wichtig ist, wie eine gesunde Lebensführung, dürfen wir Mütter mit dieser Aufgabe nicht alleine lassen, sondern müssen alles dafür tun, dass es ihnen und dem Kind gut geht.

Literatur: Renz-Polster, Herbert (2014): Kinder verstehen. Kösel-Verlag, München